29 Oct Sustainable Commerce report
For the first time, the German Retail Association and EY systematically investigated sustainability as a transformation factor for the industry: 84 percent of retailers see commitment to sustainability as an opportunity.
Die zentralen Ergebnisse: Transparenz kann die Wende beschleunigen
- Top-Nachhaltigkeitskriterien der Konsument:innen beim Einkauf: Regionalität (77 %) und Tierwohl (72 %).
- Top-Nachhaltigkeitsthemen der Konsument:innen: Müllvermeidung, Recycling, nachhaltige Verpackungen (62 %), Vermeidung von Produkt- oder Lebensmittelverschwendung (55 %) sowie Tierwohl (54 %)
- Überzahlungsbereitschaft der Konsument:innen variiert nach Thema: Für regionale und Bio-Produkte würden 56 bzw. 57 % tiefer in die Tasche greifen, jede:r Zehnte würde sogar 25 % oder mehr aufzahlen. Für fair gehandelte Produkte ist knapp die Hälfte (49 %) bereit, aufzuzahlen.
- Hemmschuhe beim nachhaltigen Konsum sind für Konsument:innen nach dem höheren Preis für Öko-Produkte (47 %) insbesondere Verzichtsunwillen (36 %), Bequemlichkeit (23 %) und mangelnde Aufklärung (21 %).
- Worauf würden Konsument:innen am ehesten verzichten für mehr Nachhaltigkeit? Vereinzelt leeres Supermarktregal, Marken-Boykott und -1° C Heizwärme zuhause rangieren weit vor Verzicht auf Fleisch, Auto oder Reisen.
- Ältere Personen haben sowohl beim Lebensmittel- als auch beim Kleidungskauf überdurchschnittlich hohe Erwartungen an Nachhaltigkeitsaspekte. 18- bis 29-Jährige sind eher bereit aufzuzahlen, jedoch schwächer im Verzicht.
- Green-App als Trend-App: Positive Anreize wie ein Bonusprogramm für nachhaltigen Konsum für 75 Prozent interessant – über alle Altersgruppen hinweg.
- Händler sehen Nachhaltigkeit als Chance (84 %) und Chefsache (85 %). Hemmschuhe sind Unklarheit über Zahlungsbereitschaft der Kund:innen (42 %), mangelnde Kapitalausstattung (33 %) sowie mangelnde Information über geeignete Maßnahmen, um ein nachhaltiges Wirtschaften zu erreichen (33 %).
Nachhaltigkeitskriterien beim Einkauf für Konsument:innen an dritter Stelle
Beim Kauf von Lebensmitteln achten die Verbraucher:innen vor allem auf ein gutes Preis-Leistungsverhältnis (87 %) und eine hohe Produkt-Qualität (83 %). Ab dritter Stelle folgen Nachhaltigkeitskriterien wie Regionalität (77 %), Tierwohl (72 %) oder der Verzicht auf fragwürdige Inhaltsstoffe (68 %). Ähnlich verhält es sich beim Kauf von Kleidung, hier spielt jedoch das Thema Regionalität eine deutlich untergeordnete Rolle. Die Hälfte der Befragten gibt an, auf einen „generell niedrigen Preis“ Wert zu legen.
Also keine Preistoleranz bei den Konsument:innen? Es kommt darauf an!
Die Hälfte der Befragten gibt an, zuweilen weniger nachhaltig zu agieren, als sie vielleicht könnte, weil nachhaltige Produkte meist teurer sind – sie können oder wollen sich Öko-Produkte nicht immer leisten. Dennoch ist jede:r zweite Konsument:in bereit, für nachhaltigeren Konsum bis zu fünf Prozent des Haushaltseinkommens aufzuzahlen. Eine Aufzahlung von zehn Prozent kommt nur für ein Viertel der Bevölkerung in Frage. Jüngere Menschen zwischen 18-29 Jahren zeigen eine höhere Bereitschaft, für nachhaltige Produkte mehr Geld in die Hand zu nehmen.
Bei differenzierter Betrachtung zeigt sich jedoch, dass nachhaltig nicht gleich nachhaltig ist. “Für Bio-Produkte und Waren aus der Region würden knapp 60 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten tiefer ins Geldbörserl greifen, für fair gehandelte Produkte die Hälfte und für den Einkauf bei einem CO2-neutralen Händler ein Drittel“, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. „Diese Zahlen belegen deutlich, dass Transparenz die Wende beschleunigen wird: Konsumentinnen und Konsumenten sind durchaus bereit, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für nachhaltige Produkte mehr auszugeben, wenn sie denn wissen wofür.“
Gründe gegen nachhaltiges Handeln? Nach dem Preis folgen Bequemlichkeit und fehlende Aufklärung
Ein Drittel der Konsument:innen möchte ungern auf Komfort wie Auto, Flugreisen oder den Wäschetrockner verzichten. Jede:r Fünfte fühlt sich zu wenig darüber informiert, was man als Einzelperson tun kann, um nachhaltiger zu konsumieren.
Leeres Regal statt Verzicht aufs Auto. Belohnungen willkommen.
“Drei Viertel der Konsument:innen würden auch einmal ein leeres Regal im Supermarkt in Kauf nehmen, um der Lebensmittelverschwendung vorzubeugen“, sagt Rainer Will. Ebenso ist das Boykottieren von Marken und Händlern, die Umweltsünden begehen oder Menschenrechte verletzen, für drei Viertel vorstellbar. Zwei Drittel würden zuhause sogar auf 1° C Heizwärme verzichten, während der vermehrte Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel für nur knapp die Hälfte vorstellbar wäre.
“Warum Klimaschutz nicht durch positive Anreize auch belohnen? Knapp 70 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten würden bei einem Bonusprogramm für nachhaltiges Handeln mitmachen, etwa für den Kauf nachhaltiger Produkte oder für eine niedrige Stromrechnung. Eine Cashback-Option wäre sogar für drei Viertel der Bevölkerung interessant, und dies über alle Altersklassen hinweg“, bestätigt Rainer Will. „Hinzu kommen virale Potenziale: Jede:r Fünfte fände es sogar spannend, den eigenen Öko-Punktestand in den sozialen Medien zu posten. Was heute die Kilometer in der Lauf-App sind, könnten morgen die Green Points beim Shoppen sein.“
Ambivalente Jugend & achtsame ältere Generation?
“Große Unterschiede im nachhaltigen Konsum zeigen sich in der Betrachtung der Altersgruppen. Bei den 18- bis 29-Jährigen beispielsweise lautet die Devise: Weniger Fleisch ist mehr – sie ernähren sich eher fleischreduziert, fleischlos oder vegan. Sie zeigen eine deutlich höhere grundsätzliche Bereitschaft, mehr Geld für nachhaltigen Konsum in die Hand zu nehmen, geben andererseits aber auch signifikant häufiger als andere Altersgruppen an, aus Bequemlichkeit und Verzichtsunwillen oft weniger nachhaltig zu agieren als sie könnten“, erklärt Martin Unger, Leiter des Sektors Konsumgüter und Handel bei EY Österreich und der Nachhaltigkeitsinitiative EYCarbon.
“Hingegen haben ältere Personen besonders hohe Ansprüche an Nachhaltigkeitsaspekte. Personen zwischen 60 und 69 Jahren legen überdurchschnittlich viel Wert auf Qualität, Regionalität, faire Arbeits- und Produktionsbedingungen und Produktsiegel. Sie geben eine sehr hohe persönliche Achtsamkeit in vielen Nachhaltigkeitsbereichen an und wollen sowohl für sich selbst als auch für die Allgemeinheit einen Beitrag leisten“, ergänzt Nikolaus Koechelhuber, Managing Director im Bereich Handel- und Konsumgüter bei EY Österreich.
Danach gefragt, wer ihrer Meinung nach am stärksten für Nachhaltigkeit in die Verantwortung zu nehmen ist, nennen die Österreicher:innen an erster Stelle die Produzenten und Lieferanten, gefolgt von der Politik, dem Handel und zuletzt den Konsument:innen.
Nachhaltigkeitssiegel: Dickicht statt Transparenz
Hinsichtlich Nachhaltigkeitssiegel ist das Vertrauen der Österreicher:innen durchmischt: Nur vier von zehn Personen vertrauen auf Nachhaltigkeitssiegel (42 %), mehr als ein Drittel (38 %) ist sich diesbezüglich unsicher. Am ehesten wird auf das AMA-Gütesiegel (68 %) geachtet, wie auch auf das Fairtrade-Siegel (65 %) und das MSC-Siegel (56 %).
„Am Markt gibt es eine große Anzahl an Siegeln, die für die Befragten nur wenig Orientierung bieten. Hier besteht Handlungsbedarf, um die Konsumentinnen und Konsumenten dabei zu unterstützen, eine fundierte Entscheidung treffen zu können“, schätzt Nikolaus Köchelhuber die Situation ein. Martin Unger ergänzt: „Der Handel nimmt bei der Erreichung von Nachhaltigkeits- und Klimaneutralitätszielen eine zentrale Rolle ein: Zum einen ist er gefordert, Millionen Konsumentinnen und Konsumenten am Weg zu einem nachhaltigen Leben zu begleiten und zum Teil auch anzuleiten. Zum anderen liegt es auch in der Verantwortung der Handelsunternehmen, mit ihren Lieferanten gemeinsam an nachhaltigen Lieferketten und Sortimenten zu arbeiten.“
Mieten statt kaufen für Konsument:innen gute Alternative
Was beim Skifahren schon gelebter Alltag ist, rückt nun in viele weitere Lebensbereiche vor: Das Anmieten von Produkten, anstatt sie zu kaufen. Während nur drei von zehn Personen derartige Mietmodelle generell ablehnen, können sich 40 Prozent der Kund:innen vorstellen, dies bei Sportprodukten und Autos zu nutzen. Aber auch bei Produktgruppen, in denen das Mieten bisher eher unüblich war, wird die Bereitschaft spürbar: Jede:r Fünfte kann sich das Mietmodell für Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Wäschetrockner, Kaffeemaschine oder für Elektrogeräte wie Fernseher und Playstation vorstellen. Für ein Zehntel ist die Anmietung von Möbeln oder Babykleidung denkbar. „Damit ist auch klar, dass Nachhaltigkeit auch gänzlich neue Geschäftsmodelle und Umsatzchancen für Unternehmen öffnet“, so Nikolaus Köchelhuber.
Händlerbefragung: Nachhaltigkeit als Chance und aus Überzeugung
84 Prozent der Händler sehen es als Chance, im Nachhaltigkeitsbereich aktiver zu werden. Dies geht aus der parallel zur Konsumentenbefragung durchgeführten Händlerbefragung hervor. In logischer Konsequenz ist das Thema Nachhaltigkeit Chefsache – bei mehr als 80 Prozent der Unternehmen liegt die Verantwortung beim Vorstand, der Geschäftsführung oder dem:r Eigentümer:in.
Das Thema Nachhaltigkeit ist derzeit bei einem Viertel der heimischen Handelsunternehmen ein integraler Bestandteil der Strategie (27 %), bei weiteren 57 Prozent teilweise. Der CO2-Fußabdruck wird von einem Drittel der befragten Handelsunternehmen bereits erhoben, ein weiteres Drittel plant dies in den nächsten zwei Jahren zu tun.
„Nachhaltigkeit ist neben Digitalisierung der prägendste Megatrend unserer Zeit. Und Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil der Strategie zu begreifen, bedeutet weit mehr als eine Kurskorrektur, es erfordert ein Neudenken des gesamten Geschäftsmodells. Diese Transformation sollten Händler jetzt einleiten, um langfristig zu reüssieren,“ erklärt Martin Unger.
Die entscheidenden Treiber für nachhaltiges Handeln in der Branche: Den Wünschen der Konsument:innen zu entsprechen (84 %), persönliche Motive wie die Überzeugung, im Sinne der Kinder und Enkel zu handeln (82 %), und erst drittgenannt strategische Überlegungen (81 %).
„Dass die Notwendigkeit, regulatorischen Vorgaben zu entsprechen, mit 63 Prozent eher nachgereiht genannt wird, ehrt den Handel. Es überrascht aber vor dem Hintergrund der zahlreichen anstehenden Regulative, vom Lieferkettengesetz bis hin zur ökosozialen Steuerreform.“, sagt Martin Unger.
Top-Nachhaltigkeitsthemen des Handels: Sortiment, Lieferkette, Kreislaufwirtschaft
Kaum ein Nachhaltigkeitsbereich steht nicht im Fokus der befragten Handelsunternehmen. An erster Stelle rangiert das Sortiment, also das Angebot von Produkten aus nachhaltiger Herstellung sowie faire Arbeits- und Produktionsbedingungen bei den Lieferanten bzw. in den produzierenden Ländern. Auch die Themen Kreislaufwirtschaft, Müllvermeidung, Recycling und nachhaltige Verpackungen spielen eine wichtige Rolle. Damit deckt sich die Agenda weitgehend mit den Erwartungen der österreichischen Konsument:innen.
„Zahlreiche Händler sehen diese Nachhaltigkeitsaspekte bereits als große Chance sich am Markt zu differenzieren und Konsumentinnen und Konsumenten nachhaltiger zu binden. Diese Chance ist jedoch jetzt zu ergreifen, um nicht unmittelbar einen Wettbewerbsnachteil zu riskieren“, sagt Martin Unger.
Händler-Hürden auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit
Eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zu nachhaltigem Wirtschaften sehen die heimischen Händler in der Unklarheit der Kundenwünsche und der damit verbundenen Zahlungsbereitschaft der Konsument:innen. Nachhaltige Sortimente sind in der Regel teurer, die Preissensibilität der Kund:innen hoch, zudem ist durch den Wildwuchs an Nachhaltigkeitssiegeln die Transparenz für die Konsument:innen oft nicht gegeben.
“Als weiterer Hemmschuh wird mangelnde Kapitalausstattung für die erforderlichen Investitionen genannt. Verständlich angesichts der noch nicht überstandenen Corona-Pandemie, die die Kapitaldecke zahlreicher Handelsunternehmen zum Schmelzen gebracht hat. Daher sind die zahlreichen Förderungen für Investments in grüne Technologien, Gebäude und Strategien sehr wichtig“, so Handelssprecher Rainer Will abschließen
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